Donnerstag, 09. Januar 2025

Effizientes Schadenmanagement mit dem richtigen Technologiemix

In der Versicherungsbranche sorgen derzeit zwei Herausforderungen für großen Druck: der Fachkräftemangel und die andauernde hohe Schadeninflation. Diese Entwicklungen zwingen Unternehmen dazu, neue Wege zu finden, um sowohl die Effizienz ihrer Prozesse im Schadenmanagement zu steigern als auch die Qualität ihrer Dienstleistungen zu erhalten.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und anderen digitalen Technologien wird oft als Antwort auf diese Herausforderungen gesehen. Doch wie realistisch ist es, dass diese Technologien den gewünschten Effekt haben?

Fachkräftemangel und steigende Ansprüche im Schadenmanagement

Der Fachkräftemangel betrifft insbesondere das Schadenmanagement in der Versicherungsbranche. Während extreme Wetterereignisse wie Stürme, Starkregen oder Hagel die Schadenlast erhöhen, fehlen den Versicherern qualifizierte Mitarbeitende, um die Schadenfälle zeitnah und präzise zu bearbeiten. Das führt nicht nur zu überlasteten Mitarbeitenden, sondern auch zu Verzögerungen in der Bearbeitung, was sich negativ auf die Kundenzufriedenheit als auch die Schadenkosten selbst auswirkt​.

Wenn beispielsweise ein Starkregenereignis zu Überschwemmungen und erheblichen Sachschäden führt, ist eine schnelle und kompetente Bearbeitung der Schadenmeldungen entscheidend. Aufgrund von begrenzten Ressourcen kann es jedoch zu Verzögerungen bei der Schadenaufnahme und -bewertung kommen. Dies führt nicht nur zu längeren Wartezeiten für die Betroffenen, sondern auch zu einer erhöhten Arbeitsbelastung für die vorhandenen Mitarbeitenden, die häufig mehrere Fälle gleichzeitig bearbeiten müssen. Die Folge sind potenzielle Fehler bei der Schadenregulierung und eine geringere Kundenzufriedenheit. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, müssen Versicherungsunternehmen innovative Lösungen und Technologien einsetzen, um die Effizienz im Schadenmanagement zu steigern und den Fachkräftemangel zu kompensieren.

Künstliche Intelligenz als unterstützendes Tool

KI-gestützte Lösungen bieten hier eine vielversprechende Möglichkeit, die Effizienz in der Schadenbearbeitung zu steigern. Durch automatisierte Vorprüfungen von Schadenmeldungen und die Analyse großer Datenmengen können Routinefälle schneller bearbeitet werden. Die KI identifiziert einfache Fälle und ermöglicht es den Sachbearbeitenden, sich auf komplexere Schadenfälle zu konzentrieren​.

Ein Beispiel dafür ist die teil-automatisierte Belegprüfung: KI erfasst die relevanten Daten in eingereichten Belegen und bewertet diese anhand bestimmter Kriterien. Routinefälle können so vollständig automatisiert abgewickelt werden, komplexere Fälle werden an Experten weitergeleitet, denen wiederum KI-gestützte Handlungsempfehlungen zur Verfügung stehen. Dies führt zu einer schnelleren Bearbeitung der Schäden und entlastet die Sachbearbeitenden, was letztlich auch die Kundenzufriedenheit erhöht.

Zwischen Hype und Realität: GenAI im Schadenmanagement

Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) wird oft als potenzieller „Game Changer“ in der Versicherungsbranche angesehen. Ihre Fähigkeit, Inhalte und Prozesse zu generieren, weckt große Erwartungen, insbesondere im Hinblick auf die Optimierung des Schadenmanagements. Doch trotz des Potenzials gibt es auch kritische Stimmen. Laut Lünendonk® IT-Studie 2024 sehen 57 Prozent der Befragten die mangelnde Ergebnisqualität als großes Hindernis für den Einsatz von GenAI.

In stark regulierten Branchen wie der Versicherungswirtschaft sind Datenschutz und regulatorische Vorgaben entscheidende Faktoren. GenAI steckt hier oft noch in den Kinderschuhen und erfordert beträchtliche Investitionen in Infrastruktur und Schulung. Der Gartner Hype Cycle zeigt deutlich, dass viele Technologien den Gipfel der überzogenen Erwartungen erreicht haben, bevor sie für den realen Einsatz bereit sind. Es ist daher ratsam, parallel auf bewährte Technologien zurückzugreifen, die sich in der Praxis bereits als effektiv erwiesen haben.

Bewährte Technologien als pragmatische Lösung

Angesichts der Herausforderungen von Schadeninflation und Fachkräftemangel müssen Versicherer pragmatische Entscheidungen treffen. Ein vielversprechender Ansatz ist der Einsatz eines Technologiemix, der sowohl bewährte KI-Tools als auch klassische IT-Lösungen umfasst. Technologien wie Robotic Process Automation (RPA) und Machine Learning bieten bereits heute erhebliche Vorteile, ohne dabei zu einem technologischen „Lock-in“ zu führen. Die Kombination aus bewährter Technologie und datengestützter Prozessoptimierung bietet nicht nur eine schnelle Entlastung der Mitarbeitenden, sondern auch eine bessere Kontrolle über die Prozesse.

Augmented Intelligence: Die Verschmelzung von Mensch und Maschine

Ein erfolgversprechendes Konzept ist die sogenannte „Augmented Intelligence“. Hierbei handelt es sich um eine hybride Form der Entscheidungsfindung, bei der menschliches Urteilsvermögen durch maschinelle Intelligenz unterstützt wird. Die Technologie liefert Handlungsempfehlungen auf Basis von Datenanalysen, während der Mensch die finale Entscheidung trifft. Diese Zusammenarbeit von Mensch und Maschine erlaubt eine effizientere Bearbeitung von Schadenfällen, ohne dass der Mensch dabei die Kontrolle verliert​. Augmented Intelligence hat zudem das Potenzial, die Lernkurve neuer Mitarbeitender zu verkürzen, indem sie standardisierte Prozesse und datenbasierte Hilfestellungen bereitstellt.

Durch Feedbackschleifen lernt die KI stetig dazu und verbessert sich kontinuierlich. Dies schafft nicht nur kurzfristige Effizienzgewinne, sondern legt auch den Grundstein für nachhaltige Verbesserungen in der Schadenbearbeitung​.

Technologiemix als Effizienzbooster

Versicherer stehen vor der Herausforderung, sich in einem Umfeld von Fachkräftemangel und steigenden Schadenaufwänden zu behaupten. Während Künstliche Intelligenz zweifellos eine Schlüsselrolle bei der Prozessoptimierung spielen kann, zeigt die Praxis, dass nicht jede Technologie sofort einsatzbereit ist. Die Kombination aus bewährten Technologien mit fortschrittlicheren KI-Ansätzen wie Augmented Intelligence bietet Versicherern die Möglichkeit, die Effizienz zu steigern, ohne die Kontrolle über ihre Kernprozesse zu verlieren.

Versicherer sollten sich dabei auf ausgewählte Partnerschaften mit Technologieanbietern und Digitalisierungsexperten konzentrieren, da sie nicht alle technologischen Lösungen selbst entwickeln können. Ein pragmatischer Ansatz ist es, die eigenen Kompetenzen realistisch zu bewerten und die Zusammenarbeit mit externen Partnern (auch vorübergehend) zu intensivieren, um von den technologischen Fortschritten zu profitieren. Mit diesem kooperativen Modell lassen sich nicht nur Engpässe im Schadenmanagement überbrücken, sondern auch Wettbewerbsvorteile langfristig sichern.